Handballabenteuer am 60. Breitengrad

Im Rahmen der nunmehr 12. Deutschen Woche, welche vom 21.-26. April im russischen Sankt Petersburg stattfand, erhielten auch einige Handballer der HSG Freiberg die Möglichkeit an diesem interkulturellen Austausch teilzunehmen. In diesem Zeitraum  werden generell  deutsch-russische Kooperationsthemen erörtert, welche von Wirtschaftsveranstaltungen über Bildungsthemen,  Kultur- und Spracharbeit bis hin zu gesellschafts- und rechtspolitischen Fragen reichen.

Die HSG Freiberg folgte dabei einer Einladung der TU Bergakademie Freiberg bzw. der St. Petersburger Nationalen Universität für Mineralische Rohstoffe „Gorny”, im Rahmen dieser Begegnungswoche eine Handballmannschaft zum sportlichen Vergleich zu entsenden.  Diese Einladung basierte zum einen auf dem langjährigen Engagement der TU Freiberg speziell im Jugendbereich der HSG Freiberg, zum anderen auf den guten wissenschaftlichen  Beziehungen der TU Freiberg zu ihrer Partnerhochschule in St. Petersburg.

Die wissenschaftliche Verbundenheit der beiden Universitäten fußt dabei auf eine jahrhundertealte Tradition. So war es bereits Ende des 17. Jahrhunderts Wunsch von Zar Peter des Großen, dem Stadtgründer von St. Petersburg,  sein russisches Zarenreich in einen modernen und europäisch geprägten Staat zu wandeln. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Weiterentwicklung des Bergbaus. So besuchte der Zar mehrmals Sachsen, wobei er sich über den Silberbergbau informierte und im Jahr 1711 im Freiberger Raum ein Bergwerk befuhr. In der Folge entwickelte sich eine bis heute rege Zusammenarbeit zwischen den Bergbau-Akademien beider Städte. Dabei stehen z.B. die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte, Exkursionen und Konferenzen sowie der Austausch von Studenten im Vordergrund. Als aktueller Beleg dafür ist die u.a. auch von der Gorny-Universität unterstützte Neugestaltung des Lomonossow-Hauses in der Fischerstrasse in Freiberg. Dieses Haus soll an den wohl berühmtesten deutsch-russischen „Austauschstudenten“ erinnern sowie als Begegnungszentrum für heutige Studenten beider Länder dienen.

So traf es sich gut, dass unsere Freiberger Mannschaft auch 8 aktuelle Studenten der Bergakademie umfasste, welche in diesen spannenden Tagen Einblicke in das universitäre Leben der russischen Ressourcenuniversität  erhielten. Aber alles der Reihe nach:

Der sportliche Ausflug in die Zarenstadt begann am Mittwoch um 10 Uhr an der Ernst-Grube-Halle.  Das Gros der Mannschaft stellte dabei die dritte Vertretung um Trainer Markus Lehmann.  Ergänzt wurde unser Team zudem um einige Spieler aus dem aktuellen Verbandsligakader der zweiten Mannschaft. Dazu gesellte sich zur Überwindung der gröbsten sprachlichen Barrieren noch ein Mitglied des Fanclubs. Vervollständigt wurde die Reisegruppe durch das Vorstandsmitglied Malte Burkhardt, wodurch die Spieler auch durch die Vereinsführung vor Ort Unterstützung erfuhren. Neben einem privaten KFZ brachte auch der neue Dachse-Kleinbus die Spieler sicher zum Berliner Flughafen Schönefeld. Dort hob gegen 15 Uhr der Airbus Richtung St. Petersburg ab. Nach 2,5‑stündiger Flugzeit sowie einer Stunde Zuschlag aufgrund der Zeitverschiebung setzten wir sanft auf einer der Landebahnen des Flughafens Pulkowo im Süden der 5 Millionen Einwohner zählenden Stadt auf.

Es folgte ein etwa einstündiger Bustransfer zu einem der vielen Studentenwohnheime der Stadt, welches die Dachse für 2 Tage beherbergen sollte. Auf dieser Fahrt konnten wir uns schon ein erstes, beeindruckendes Bild der nördlichsten Millionenstadt Europas machen. Im Wohnheim angekommen, wurden wir von netten Studenten empfangen, welche sich auf in den Folgetagen um all unsere Belange kümmerten. Nach erfolgter Anmeldung wurden die Schlüssel ausgehändigt und wir konnten unsere Quartiere in sehr modernen und komfortabel ausgestatteten Doppelzimmern beziehen. Schnell wurde das Reisegepäck verstaut, ein kleines Abendessen im für uns extra länger geöffneten Speiseraum eingenommen und anschließend gestärkt die Stadt erkundet. Dem Rat der Einheimischen folgend wurde aufgrund der voran geschrittenen Zeit nur die nähere Umgebung genauer unter die Lupe genommen. Denn kein Dachs wollte es riskieren am falschen Newa-Ufer zu stehen wenn die Brücken der Stadt allabendlich hochgezogen werden. Also entschied man sich an diesem Abend auf der Wassiljewski-Insel zu verweilen. Diese wird von der großen und der kleinen Newa sowie vom Finnischen Meerbusen umschlossen und ist die größte der insgesamt 42 Inseln der Stadt.

Nach Erreichen der ersten Wechselstube wurde sich an diesem Abend erst einmal mit dem russischen Rubel vertraut gemacht um anschließend die Gegend um die Metro-Station „Primorskaya“ erkunden zu können. Da es sich nicht leugnen lässt, dass auch die Handball-Dachse durchaus fußballbegeistert sind, war es keine Überraschung, dass das schimmernde Fernsehlicht der Live-Übertragung des Champions-League Viertelfinales zwischen Real Madrid und Atletico Madrid  eine gewisse Anziehungskraft ausübte. Bei Snacks und einigen Getränken in einer Sportsbar klang der erste Abend  in geselliger Runde aus. Dabei kamen wir auch in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung und konnten sie über unser sportliches Vorhaben und unseren tierischen Begleiter, den Dachs (russ. „барсук“), aufklären.

Am Donnerstagvormittag ging es dann auf große Entdeckungstour. Der morgendliche Schneefall konnte dabei keinen abschrecken. So starteten wir nach einem reichhaltigen Frühstück, wobei sich noch nicht jeder Dachs an den typisch russischen Buchweizenbrei wagte, um 10 Uhr mit einem Kleinbus zu einer etwa 3-stündigen Erkundungsreise durch St. Petersburg. Geführt wurden wir in diesen Stunden von Olga, einer russischen Fremdenführerin. Sie verstand es in gutem Englisch den Dachsen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und die damit verbunden historischen Fakten zu vermitteln.  Auch wurden immer wieder Zwischenhalte eingelegt um sich die Beine zu vertreten und Fotos zu schießen. Die Sonne kam dank des nun aufbrausenden Windes immer mehr und mehr durch, sodass noch ein paar schöne Fotomotive eingefangen werden konnten. Aber natürlich reichte die Zeit bei Weiten nicht aus um sich alle der unzähligen Sehenswürdigkeiten des „Venedig des Nordens“  anzuschauen.

Nach dem impressionsreichen Trip durch die historische Stadt überkam uns langsam ein leichtes Hungergefühl und wir wurden vor dem Gorny-Institut abermals von einer netten studentischen Begleitung empfangen. Vor dem Mittagessen gab man uns Gelegenheit sich das durchaus beeindruckend marmorierte Innenleben des Gebäudes anzuschauen. Auch eine kleine russisch-orthodoxe Kapelle zählte zu den Räumlichkeiten. Zu guter Letzt konnten wir erstmals die Sporthalle begutachten. Dort fanden gerade unter großem Zuschauerinteresse Judowettkämpfe statt. Erwähnenswert ist besonders die Lage der Sporthalle. Denn im Gegensatz zu den gängigen Sporthallen befand sich diese im 4. Stock des Gebäudekomplexes. Durch die Verglasung erlaubte dies einen schönen Blick über St. Petersburg. Nach dieser kleinen Besichtigung des Instituts ging es schließlich in die Mensa zum Mittagessen.

Danach erfolgte der Transfer zurück zum Wohnheim, worauf alle nochmals 2 Stunden Kraft für das anstehende Spiel sammeln konnten. Ausgeruht ging es dann zurück zur Universität, in der wir gegen 18 Uhr eintrafen. Nach der obligatorischen Aufwärmung erfolgte um 19 Uhr der Anpfiff gegen die Studentenauswahl des Gorny-Instituts. Unter den Augen des Kanzlers der TU Bergakademie Freiberg, Herrn Dr. Andreas Handschuh,  sowie etwa 50 interessierten Handballfans entwickelte sich ein munteres Spiel welches am Ende durch die Gastgeber mit 27:25 gewonnen werden konnte (siehe Spielbericht). Vor und nach dem Spiel wurden zudem kleine Geschenke wie T-Shirts und Bronzemedaillen als Erinnerungstücke ausgetauscht. Auch die mitgebrachten Saisonhefte, Kalender und Aufkleber der HSG Freiberg fanden neue Besitzer. Nach einem gemeinsamen Foto mit den Gastgebern  ging es anschließend unter die wohlverdiente Dusche und zurück ins Wohnheim.

Am Abend erkundeten wir nochmals die nähere Umgebung des Wohnheims und genossen in einem kleinen Restaurant die russische Küche. Bei Borschtsch und Pelmeni sowie russischer Livemusik ließ man den Tag Revue passieren. Abschließend besuchten wir abermals die Sportsbar um gemeinsam mit den Einheimischen Zenit St. Petersburg im Viertelfinale des Europapokals die Daumen zu drücken. Im dem nur wenige Kilometer entfernten Petrowski-Stadion schieden die Blau-Weißen aber knapp gegen den  FC Sevilla aus. Damit neigte sich dieser spannende Tag auch dem Ende. Müde, aber voller neuer und  interessanter Eindrücke fiel ein Dachs nach dem anderen ins sein Bett.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal gemeinsam gefrühstückt bevor uns der Bus zum Flughafen brachte. Nach einem entspannten Flug erreichten wir gegen 14:15 Uhr Berlin. Eine anstrengende, aber sehr kurzweilige und erlebnisreiche Tour nahm damit ihr Ende.

Mit einem „большо́е спаси́бо“ bedanken wir uns bei allen Förderern und Organisatoren für diese erlebnisreichen Tage in St. Petersburg! Ein besonderer Dank geht dabei an Frau Gruner und unseren stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Erich Fritz, welche im Vorfeld der Reise einen besonders hohen planerischen Aufwand speziell im Hinblick auf die Visaerteilung zu leisten hatten!

Die grün-weißen Vereinsfarben wurden im Newa-Delta vertreten durch: Jacob Sahlmann, Fabian Göhler, Constantin Schülein, Konstantin Kraushaar, Christoph Oehme, Christian Holz, Sebastian Mader, Kevin König, Christian Leithold, Richard Wolowski, Hannes Gutsche, Markus Lehmann (Trainer), Malte Burkhardt (Vorstandsmitglied) und Alexander Felix (Fanclub).

Und hier der Spielbericht:
Gut gelaunt, etwas müde aber hochmotiviert startete die Mannschaft in das Spiel (2x25min) gegen die Studentenauswahl des Gorny-Instituts. Die Rahmenbedingungen (kein Haftmittel, sehr glatter Hallenboden und verkürzte Spielfeldlänge) bereiteten den Bergstädtern doch mehr Probleme als erwartet. Im Positionsangriff agierte insbesondere der Rückraum sehr behäbig und konnte den kompakten Mittelblock der Russen nur selten überwinden. Zu Torerfolgen kamen die Dachse primär über die treffsicheren Außen Sebastian Mader und Christian Holz, welche sich mehrfach in die Torschützenliste eintrugen. Die wuselige Aufbaureihe der Gastgeber bereitete der Abwehrformation ordentlich Kopfschmerzen. Viel zu oft gelang der Durchbruch im Mann-gegen-Mann, ohne dass die entstandenen Lücken konsequent zugeschoben wurden. Selbst für ein Freundschaftsspiel war das zu wenig. Die wenigen in der Abwehr eroberten Bälle wurden durch hektische, übereilte Aktionen leichtsinnig vergeben. Da das Freiberger Torhütergespann Sahlmann/Schülein gegen Ende der ersten Halbzeit der erhofft Rückhalt war, gelang es den zwischenzeitlichen Rückstand zur Pause auf ein Tor zu verkürzen (13:14). Mit einer verbesserten kämpferischen Einstellung und viel Tempo ging die HSG in den zweiten Spielabschnitt. Davon profitierte vor allem der Spielaufbau, wodurch sich viele gute Torchancen ergaben. Leider ließ die eigene Chancenverwertung zu wünschen übrig. Dadurch verteidigte die Heimmannschaft weiterhin erfolgreich ihre Halbzeitführung. Die Umstellung auf eine offensivere Abwehrvariante brachte gegen Ende noch einmal etwas Spannung ins Spiel, aber der erhoffte Ausgleich gelang leider nicht mehr. So siegten die russischen Gastgeber in einem ausgeglichenen und fairen Handballspiel. Das Team hofft auf die angedeutete Gelegenheit bei einem Rückspiel in Freiberg freundschaftliche Revanche nehmen zu dürfen.

Text: Markus Lehmann, Alexander Felix

Fotos: Malte Burkhardt